Über Lepra

Lepra ist eine der ältesten bekannten Erkankungen. Schon frühe Schriften wie zum Beispiel wie das Papyrus Hearst aus Ägypten (ca. 1500 v.Chr.) berichten über die dort als Asiaten-Krankheit beschriebene Lepra. Auch in den Schriften des alten Testaments finden sich Texte zum „Aussatz“, der dort aber wohl eher als Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen verwendet wurde. Gibt es in Deutschland entstandene Lepra-Erkrankungen schon seit Jahrzehnten nicht mehr (zuletzt 2010 zwei importierte Fälle), so erkranken doch weltweit jährlich ca. 250 000 Menschen neu an Lepra. Die größte Anzahl an Neuerkrankungen wird in Indien mit ca. 100 000, gefolgt von Brasilien mit ca. 40 000 Fällen registriert. Die Zahl der Menschen, die bleibende Schäden und Behinderungen erlitten haben, liegt weltweit bei ca. 4 Millionen. Lepra ist eine chronische Infektionserkrankung.

Erreger ist das 1873 vom norwegischen Amtsarzt Gerhard Henrik Hansen identifizierte Mykobakterium leprae, weshalb die Erkrankung auch Morbus Hansen genannt wird. Das Bakterium vermehrt sich praktisch nur im menschlichen Körper und das durch eine sehr lange Generationszeit nur sehr langsam. Eine Züchtung auf Nährböden ist bis heute nicht möglich; ein Impfstoff gegen Lepra existiert nicht. Der Übertragungsweg des Bakteriums ist bis heute nicht genau gesichert, es wird aber mit großer Wahrscheinlichkeit eine sog. Tröpfcheninfektion über die Schleimhaut des Nasenrachenraums angenommen. Voraussetzung für eine Infektion ist ein langandauernder und enger Kontakt zu einem unbehandelten Erkrankten, der viele Bakterien in sich trägt.
 

Bis zu 95% der Weltbevölkerung können durch den Lepra-Erreger aufgrund ihres angeborenen starken Immunsystems nicht infiziert werden. Die Inkubationszeit, also der Zeitraum von der Infektion bis zum Auftreten erster Krankheitszeichen, ist bei der Lepra ungewöhnlich lange und beträgt zwischen 6 Monaten und vielen (bis zu 40) Jahren, im Schnitt 4 Jahre. Ein Ausbruch der Erkrankung wird vor allem durch folgende Faktoren des Betroffenen begünstigt: Mangelernährung, unzureichende Hygiene, beengte Wohnverhältnisse und eine unzureichende genetisch und durch Umweltfaktoren beeinflusste Immunkompetenz. Eine unbemerkte Infektion kann über Jahre symptomfrei bleiben und sogar auch ohne weitere Therapie spontan ausheilen. Kommt es zu einer Ausbreitung des Erregers, so befällt er vor allem die Haut mit dem Bild typischer fleckförmiger Veränderungen und Knoten und die weniger durchbluteten und damit kühleren Körperregionen wie Hände, Füße, Ohren und Nase. In diesen kühleren Arealen kann sich das Mykobakterium leprae besonders gut verbreiten.

Weiterer wichtiger Infektionsort sind die peripheren Nerven mit Schädigung von Berührungs-, Schmerz-, Temperatur- und Vibrationsempfinden; es kommt bei der Nerveninfektion auch zu einer bei der Untersuchung gut tastbaren knotenförmigen Schwellung der Nerven. Der Verlust von Schmerzempfinden und Sensibilität in Finger und Füßen führt zu unbemerkten oft erst nur kleinen Verletzungen, später kommt es zu Infektionen mit Wundkeimen. Durch eine anhaltende Infektion werden auch die Knochen befallen, was bis zum Absterben und dem Verlust von Gliedmaßen führt. Lepra ist auch eine der wichtigsten Ursachen für schwere Sehstörungen bis hin zur Erblindung, ausgelöst durch einen Befall des Auges durch den Lepra-Erreger.

Seit 1982 gilt die Lepra gemäß einer Bekanntgabe durch die WHO als heilbar! Die Therapie heutzutage besteht in erster Linie aus einer standardisierten kombinierten Gabe verschiedener Antibiotika, der sogenannten multi-drug-therapy (MDT). Je nach Erkrankungsart muß die Therapie für ein halbes bis einem Jahr durchgeführt werden. Häufig wird im weiteren Verlauf auch Kortison eingesetzt. Erstaunlicherweise entwickelte sich bis heute keine Resistenz des Erregers gegen die eingesetzten Antibiotika. Die Weltgesundheitsorganisation WHO steuert die kostenlose Verteilung der Medikamente weltweit; zur Verfügung gestellt werden die Präparate gratis von Pharmafirmen Novartis, Sandoz und der Stiftung für nachhaltige Entwicklung (Novartis). So konnten in den letzten 20 Jahren ca. 14 Millionen Leprakranke geheilt werden.

Weitere wichtige Bestandteile der Therapie sind komplexe Behandlungskonzepte unter Beteiligung von plastischer Chirurgie (Beseitigung stigmatisierender Verstümmelungen), Physiotherapie und Rehabilitation sowie Wiedereingliederungsmaßnahmen in das normale gesellschaftliche Leben. Weiterhin sind Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe grundlegend  in den Bemühungen zur Bekämpfung und Ausrottung der Lepra. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Lepra sind essentiell um das Stigma durch körperliche Folgen einer Erkrankung vorzubeugen. Besonders dem Punkt der Integration und Resozialisierung widmet sich die Arbeit des St. Lazarus-Fonds durch Verbesserung der Lebensumstände der Betroffenen und ihrer Familien.

Th. Gille, Facharzt für Innere Medizin, Königstein/Ts.

Soziale Folgen

Noung war 42 Jahre alt, als sie die knotigen, roten Hautveränderungen bemerkte.

Die Mutter von vier Kindern ignorierte diese ersten Anzeichen. Als die Lepra oder Hansensche Krankheit, wie sie heute genannt wird, bei ihr diagnostiziert wurde, war Noungs bisheriges Leben mit einem Schlag zu Ende. Noung fiel aus ihrer Welt. Ihr Mann verstieß sie. Beinahe über Nacht musste sie ihre Familie, ihr Dorf, alles, was ihr Leben bis dahin ausgemacht hatte, verlassen.

Allein, von ihren Mitmenschen gemieden, erlebte sie, was es heißt, eine Ausgestoßene zu sein – mit einem Leiden zu leben, das nicht nur den Körper, sondern jede menschliche Beziehung zerstört.

Im Phan Thiet Village, einer gemeinnützigen Leprastation in Vietnam, hat Noung ein neues Leben gefunden. Wenn sie morgens aus dem Haus geht, weiß sie, dass sie arbeiten kann, dass sie andere Menschen treffen wird. Sie wird medizinisch betreut, sie hat genug zu essen, ein Dach über dem Kopf. Sie erfährt Bestätigung und Respekt. Und sie hat neue Freunde gefunden. Nur ihre Kinder hat sie niemals wiedergesehen.

Dieses typische Beispiel einer durchlebten Leprainfektion und deren Folgen zeigt, das Lepra nicht nur eine behandelbare Krankheit, sondern nach wie vor ein soziales Problem in vielen Ländern des globalen Südens darstellt. In der Beseitigung von sozialer Benachteiligung und der Verbesserung der Lebensgrundlagen von Lepra-Betroffenen liegt das Hauptziel des St. Lazarus-Fonds.

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